Jetzt kann man den Zahnärzten auf die Finger schauen

Nötige oder unnötige Behandlung?

Die Anzahl von Zahnarztpraxen sind in den letzten Jahren auch in Luzern wie Pilze aus dem Boden geschossen. Dies macht es für Patienten nicht einfacher, einen geeigneten Arzt oder die richtige Behandlung zu finden. Darum hat Marco Bianchi, der über 35 Jahre praktizierte, die erste Praxis für zahnärztliche Patientenberatung in Luzern eröffnet.

Text: Daniela Gigor (20 Minuten)

Marco Bianchi

Dr. med. dent., eidg. dipl. Zahnarzt SSO

Der Luzerner Zahnarzt Marco Bianchi hat in der Stadt Luzern die erste unabhängige Praxis für zahnärztliche Patientenberatung in der Schweiz eröffnet. «Ich kam auf diese Idee, weil ich immer wieder hörte, wie die Leute etwa in Cafés oder auf Sportplätzen über ihre Erfahrungen mit Zahnärzten gesprochen haben. Dabei war oft auch Verunsicherung zu spüren», sagt Bianchi, der über 35 Jahre als Zahnarzt und Kieferorthopäde tätig war. Ausserdem kennt er die Probleme der Patienten auch aus seiner Tätigkeit als Vertrauenszahnarzt der Patientenstelle Zentralschweiz. Bianchi: «Ein gewichtiger Grund ist das heutige Überangebot an Praxen.»

Dies ist in der Tat so, wie die Zahlen beweisen: Per 31. Dezember 2010 hatten im Kanton Luzern noch 255 Zahnärzte praktiziert. Diese Anzahl ist per Ende Dezember 2019 um über 60 Prozent auf 411 Zahnärzte angestiegen, wie die Dienststelle Gesundheit und Sport auf Anfrage mitteilte. Darum berät Bianchi Patienten nun vor und nach zahnärztlichen Eingriffen: «Ich untersuche die Situationen objektiv und versuche die Patienten zu unterstützen. Ich führe aber keine zahnmedizinischen Behandlungen mehr aus, damit ich meine Unabhängigkeit gegenüber allen Patienten und Kollegen wahren kann.»

Patient hat an die 30’000 Franken für schlechte Behandlung bezahlt

Bianchi versucht in allen zahnärztlichen Fragen Lösungen zu erarbeiten. So etwa, wenn es um die Kinderzahnheilkunde geht oder die Frage geklärt werden muss, ob ein Kind eine Zahnspange benötigen würde. Gerade beim Thema Zahnspangen könne es vorkommen, dass der Zeitpunkt dafür zu früh oder auch bereits zu spät sei. Erwachsene können sich mit allen Fragen um das gesamte Repertoire für Behandlungen, chirurgische Eingriffe oder für Vorgehensweisen nach Unfällen an Bianchi wenden. «Mit meinem Angebot spreche ich Personen an, die unzufrieden sind mit den Leistungen ihres Zahnarztes oder Patienten, die von Behandlungsvorschlägen verunsichert sind», sagt Bianchi. In Problemfällen kann Bianchi den Patienten Spezialisten empfehlen oder gleich überweisen. Er verrechnet sein Honorar mit sozialen Taxpunkten.

Bianchi weiss, wo die Patienten der Schuh drückt. Im Röntgenbild in der Bildstrecke oben ist beispielsweise für Fachleute erkennbar, dass an der betroffenen Person eine Fülle schlechter Arbeiten ausgeführt worden seien. Einen nicht ganz einfachen Fall musste Bianchi für die Haftpflichtversicherung beurteilen. «Ein Patient hatte sich während vier bis fünf Jahren bei seinem Zahnarzt die Zähne behandeln lassen. Es wurden ihm Kronen aufgesetzt, Implantate eingesetzt und Brücken für ihn hergestellt. Die gesamten Kosten beliefen sich auf etwa 30’000 Franken. Diese Investition lohnte sich in diesem Falle aber nicht, weil er jetzt an der Uni Zürich alles wieder erneuern und bezahlen musste», sagt Bianchi.

Kanton und SPO-Patientenorganisation begrüssen Angebot

Daniel Tapernoux, Arzt und Mitglied der Geschäftsleitung der SPO-Patientenorganisation mit Sitz in Zürich, sagt zum neuen Angebot: «Aus dem Blickwinkel der Patienten ist die zahnärztliche Beratung sehr sinnvoll und entspricht einem Bedürfnis.» Die Voraussetzungen für diese Fachstelle in den Händen von Bianchi seien gut, weil er vom Fach sei und unabhängig sei. Tapernoux: «In der Schweiz werden mehrere solche Personen benötigt, weil verschiedene Beratungsmöglichkeiten eine wertvolle Ergänzung zum bestehenden Angebot sind.»

Auch die kantonale Dienststelle Gesundheit und Sport steht der Stelle positiv gegenüber: «Wenn der Zahnarzt keine eigenen Interessen verfolgt und unabhängig beurteilt, so kann ein solches Angebot eine Orientierungshilfe für ratsuchende Patienten sein.»

Im Kanton Luzern wird beim Gesundheitsdepartement keine Statistik darüber geführt, wie viele Patienten sich pro Jahr über die Behandlung von Zahnärzten beschweren. Um bei der Suche nach einem Zahnarzt möglichst auf Nummer sicher zu gehen, raten Bianchi wie auch Tapernoux, sich für ein SSO-Mitglied zu entscheiden: «Dies lohnt sich, weil sie Ombudsstellen haben, in den meisten Fällen für gute Qualität stehen und das Personal gut aus- und weitergebildet ist», so Tapernoux.